Die Geldpolitik der europäischen Zentralbank (EZB) führt zu Milliardenlücken in den deutschen Vorsorgesystemen. Betroffen sind Pensionskassen, Krankenkassen sowie die Geldanlagen auf den Privatkonten der Bürger. Das Thema Altersarmut macht immer häufiger die Runde. Wie steht es denn wirklich um die deutsche Altersvorsorge ?
Altersvorsorge – Angst vor Altersarmut steigt
Die Altersvorsorge bereitet zahlreichen Bürgern erhebliche Sorgen. Die Mieten, die Pflege- und die Lebenshaltungskosten steigen kontinuierlich. Die Pensionen und Renten hinken da deutlich hinterher. So kann es bei Rentner zu erheblichen finanziellen Lücken kommen. Selbst bei guter Konjunktur könnte das Armutsrisiko unter Rentnern laut einer Studie in den nächsten 20 Jahren spürbar steigen. Der Anteil bedrohter Ruheständler könnte bis 2039 von aktuell 16,8 Prozent auf 21,6 Prozent wachsen, wie Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergaben.
Besonders betroffen sind Langzeitarbeitslose, Alleinstehende und Geringqualifizierte. Als von Armut bedroht gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens hat. Laut Studie sind das Menschen, deren monatliches Nettoeinkommen unter 905 Euro liegt. Mit einer bundesdeutschen Durchschnittsrente von derzeit knapp 1.000 Euro kommt man auf dem Land noch recht weit, aber in der Großstadt wird es mit der Altersvorsorge knapp. Besonders für Einpersonenhaushalte, die alle Kosten alleine aufbringen müssen. Seit die Europäische Zentralbank die Zinsen auf null senkte, hat sich die Situation zugespitzt. So geraten Sparer, Pensionskassen, Lebensversicherer und Krankenkasse in die Bredouille.
Sparer entgehen Zinsen in Milliardenhöhe
Die Sparer trifft es dabei besonders hart. Sie erhalten nicht nur keine Zinsen, sondern ihre Guthaben verlieren aufgrund der Inflation stetig an Kaufkraft. Zudem sind die Banken zunehmend dazu übergegangen, ihre eigenen, durch die Niedrigzinsen der EZB verursachten Gewinneinbußen mittels Erhöhungen von Konto- und Überweisungsgebühren teilweise auszugleichen. Seit einigen Monaten verlangen auch einige deutsche Finanzinstitute Negativzinsen ab dem ersten Euro auf Konten. Eine Untersuchung der DZ Bank für den Zeitraum zwischen 2010 und 2019 kommt zu dem Schluss, dass den deutschen Bürgern etwa 648 Milliarden Euro an Zinseinnahmen verglichen mit dem Zinsniveau vor dem Beginn der expansiven Geldpolitik entgangen sind. Gewinner der Entwicklung gibt es natürlich auch – die Schuldner, welche verglichen mit der Zeit vor der Finanzkrise rund 290 Milliarden Euro weniger an Zinsen zahlen mussten
Pensionskassen haben Mühe die garantierten Leistungen zu zahlen
Pensionskassen stehen ebenfalls vor großen Herausforderungen. Sie müssen den Pensionären versprochene Leistungen kürzen. Es gibt zahlreiche Einrichtungen, bei denen die Arbeitgeber Geld nachschießen, um Kürzungen der Betriebsrenten für die Mitarbeiter zu vermeiden. Problematisch wird es bei den Pensionskassen, wo es den Arbeitgeber als Träger nicht mehr gibt. Die Finanzaufsicht (BaFin) hat nach wie vor 31 der 135 Pensionskassen unter intensivierter Aufsicht. Diese „Wackelkandidaten“ sind von der Zinsflaute besonders betroffen und es ist fraglich, ob die Träger Geld nachschießen. Die Problemfälle werden bei anhaltender Niedrigzinsphase weiter steigen, denn die Zinsflaute erschwert es den Kassen, die hohen Zusagen der Vergangenheit zu erwirtschaften. Im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers drohen bei Leistungskürzungen der Kasse allerdings erhebliche Ausfälle für die Versorgungsberechtigten.
Lebensversicherer kämpfen gegen das Niedrigzinsumfeld
Bei den Lebensversicherern sieht es etwas besser aus als bei den Pensionskassen, doch hier ist auch nicht alles rosig. Die BaFin hat aktuell etwa auch 20 der 83 deutschen Lebensversicherer unter verschärfter Beobachtung und damit etwa ein Viertel der Institute. Auf der Suche nach sicheren Finanzanlagen und als Schutz vor den Negativzinsen stecken erstaunlicherweise immer mehr Bundesbürger Geld in eine Lebensversicherung. Die Beiträge wuchsen im vergangenen Jahr um 11,3 Prozent auf gut 102 Milliarden Euro. Die Versicherer locken mit höheren Zinsen als klassische Sparangebote.
Während es auf Sparbücher und Tagesgeldkonten so gut wie keine Zinsen mehr gibt, liegt die laufende Verzinsung bei Lebensversicherungen für 2020 im Schnitt bei 2,3 Prozent. Versicherungskunden müssen jedoch damit rechnen, dass der Garantiezins, der für die gesamte Laufzeit eines Vertrags gleich bleibt, für neue Verträge sinken wird. Die Vereinigung der Versicherungsmathematiker fordert eine Absenkung von derzeit 0,9 auf 0,5 Prozent, das Bundesfinanzministerium und die Finanzaufsicht BaFin beraten über den Vorschlag. Das Problem liegt auf der Hand: bei einer wahren Inflation von drei bis vier Prozent verliert der Anleger jährlich an Kaufkraft. Von den Risiken der in Lebensversicherungen zum Großteil enthaltenen Staatsanleihen einmal ganz zu schweigen.
Demografischer Wandel bedroht Krankenkassen
Auch Krankenkassen haben seit der nun über zehn Jahren andauernden Niedrigzinsphase schwere Rückschläge erlitten. Die gesetzlichen Krankenkassen werden das Jahr 2019 trotz Rekordeinnahmen mit einem Milliardenverlust abschließen. Der Grund dafür seien stark steigende Ausgaben. Die demographische Entwicklung sorgt für zusätzliche Probleme bei den Krankenkassen. Der steigende Anteil älterer Menschen, die eher Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen steht der Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter gegenüber, deren Beitrag zu den GKV-Einnahmen somit sinkt.
Wie kann man Altersarmut vorbeugen?
Die beste Altersvorsorge ist, sich nicht nur auf die gesetzliche Rente zu verlassen, sondern selbst aktiv zu werden. Hier ist es natürlich wichtig, „richtig“ zu sparen bzw. anzulegen. In Zeiten einer expansiven Geldpolitik, so wie wir sie seit Jahren erleben, sind Sachwertinvestments wie Immobilien, Aktien oder Gold empfehlenswert. Sehr gut eignet sich ein automatischer Aktiensparplan, der monatlich einen bestimmten Betrag in einen oder mehrere Aktienfonds investiert. Wenn man als 20-Jähriger damit beginnt, reichen erst einmal 50 bis100 Euro im Monat. Damit lässt sich bis zur Rente bereits eine große Summe aufbauen, was am Zinseszinseffekt liegt. Wer dagegen erst Mitte 40 auf die Idee kommt zu sparen, muss überproportional mehr zurücklegen – nämlich mehrere hundert Euro im Monat.